Hallo Kapselpiloten!
…
Ja, so fängt normalerweise jeder meiner Blogbeiträge an. Und irgendwie ist es eine Art Markenzeichen…
Aber ist es eigentlich OK?
Wieso spreche ich nur männliche Leser an?
Habe ich weibliche Leser, die sich eventuell durch das Fehlen einer weiblichen Ansprache nicht angesprochen fühlen?
Meine ich vielleicht doch die geschlechter-unspezifische Mehrzahl?
Muss man im EVE Universum überhaupt gendern?
Diese Fragen haben mich so beschäftigt, dass ich dazu eine Umfrage in Twitter aufgemacht habe:
Eine Frage an alle weiblichen (#EVEonline) Spielerinnen: Wie ist eure Meinung zum Thema "richtiges gendern" für EVE Blogs? Es geht um https://t.co/a2bsiBbjCW
— Carl Lauer (@Carl_Lauer) February 10, 2021
Die Umfrage läuft 7 Tage und ich bin sehr auf das Ergebnis gespannt!
Das Thema beschäftigt mich im Moment wirklich sehr:
Nachdem ich in einem vollkommen anderem Umfeld mit fehlendem Gendern konfrontiert wurde, bin ich maximal verunsichert!
Wie ist meine Außenwirkung durch das fehlende Gendern in der Ansprache? Bin ich unterbewusst der Meinung, dass ich nur männliche Leser habe? Bin ich einfach nur unhöflich oder respektiere weibliche Spieler nicht?
Ernsthaft, meine Gedankengänge sind ziemlich Amok gelaufen…
Ich habe mich erst einmal hingesetzt und darüber nachgedacht, ob ich hier ein Problem habe. Wieso gendere ich nicht?
EVE Online ist ein internationales Spiel. Nach wie vor gibt es zwar einen deutschen Spieleclient, aber entwickelt wird eher in englischer Sprache. Im Englischen gibt es nur „capsuleer“, man macht keinen Unterschied, ob der Pilot in der Kapsel weiblich oder männlich ist.
Das zieht sich so weiter durch den EVE Client: Man spricht von verschiedenen Karriere- und Sicherheits-Agenten, dabei wird das Geschlecht des NPCs ignoriert.
Für mich ergab sich nie die Frage, ob ich geschlechtliche Unterschiede in Anreden beachten muss, denn für mich war das Geschlecht in EVE nie ein Thema.
Spielerisches Können in einem Spiel war noch nie abhängig davon, ob die Person vor’m Bildschirm Brüste hat, oder einen Penis.
Aber wie sieht es aus, wenn der Faktor RealLife mitspielt? Wenn ich nicht die fiktive Person im Spiel anspreche, sondern die reelle Person, welche diesen Spielecharakter steuert? Wäre es dann nicht normal zu gendern? Verlangt dann nicht sogar der normale respektvolle Umgang, dass man gendert?
Ich habe ein wenig Angst, dass ich unbewusst in einer Denkweise festhänge, welche das Weibliche beim bloggen ausblendet. Trete ich seit Jahren in Fettnäpfchen ohne es zu merken?
Ich versuche bei Problemstellungen immer die Dinge von anderen Blickpunkten zu bewerten.
Was denkt IHR dazu? Schreibt doch gerne einmal eure Meinung zu diesem Thema in die Kommentare! Oder greift das Thema selber einmal auf, wenn ihr Blogger oder Streamer seid und stellt eure Sichtweise mal dar. Ich bin auf Meinungen gespannt! ;-)
o7
Carl
KapselpilotInnen!
Ich habe ja schon auf Twitter angedeutet, dass mir das Thema am Wochenende auch auf die Füße gefallen ist und ich tatsächlich mal einen der nächsten Blogposts gendern möchte. Aktuell gibt es ja auch die Debatte, dass KI zu männlich agiert, die typische Übersetzung von doctor und nurse eben auch Doktorin und Krankenpfleger bedeuten kann. Ich glaube das Problem ist einfach, das wir uns nicht nur an den Sprachgebrauch, sondern auch an das „Darauf-Hören“ gewöhnen müssen. Ich höre fast nur WDR5 und Cosmo, dort wird es schon gemacht. Zu Beginn ist es mir extrem aufgefallen und ich fand diese Form der Sprache fast unangenehm anstrengend. Mittlerweile habe ich mich vom Hören daran gewöhnt und es stört mich nicht.
Als Schreibweise finde ich das „Binnen I“ akzeptabel. Das dritte Geschlecht, das mittlerweile ja auch gesetzlich anerkannt ist, drückt sich dann für mich in einer kurzen Redepause und im aufgebrochenen Schriftbild aus. Und genau das ist auch wichtig für mich. Man muss es aussprechen können UND man muss es lesen können. Dafür müssen alle „Parteien“ Kompromisse eingehen, eine Schreibweise die mit irgendwelchen Sonderzeichen geregelt ist, finde ich persönlich sehr unproduktiv und unnötig verkomplizierend. Ebenso wie Wortverfremdungen.
Wie sehr sich das dritte Geschlecht in dieser Schreibweise repräsentiert fühlt, weiß ich leider nicht, fände es aber interessant zu erfahren.
Ingame unterscheide ich tatsächlich zwischen weiblichen und männlichen KapselpilotInnen, wenn ich darüber schreibe oder reden. Ich nutze bewusst „he“ oder „she“ auch im Englischen und viele meine MitspielerInnen tun das ebenfalls.
Zur Integration habe ich bei meinem Blogpost „Ein sicherer Raumhafen“ schon geschrieben, dass ich nicht möchte, dass SpielerInnen eine Sonderrolle nur deshalb bekommen, weil sie „anders“ sind. Integration funktioniert für mich persönlich viel leichter, wenn vermeintliche Unterschiede nicht künstlich hervorgehoben werden. „Wo aber Anfeindungen drohen, egal aus welchem Grund, ist es eine besondere Verantwortung für Veranstalter (oder für uns alle???) einen geschützten Raum zu schaffen, damit sich Menschen uneingeschränkt entfalten können, Spaß haben und eben nicht auf das Geschlecht ihrer Bettpartner reduziert werden, sondern auf Gemeinsamkeiten – in diesem Fall : Internet spaceships.“
Aktuell dazu gibt es übrigens eine interessante Podcast-Folge von ZEITpolitik genau zu diesem Thema: https://www.zeit.de/politik/2021-02/gendergerechte-sprache-gendern-politikpodcast
Der oder die eine oder andere LeserInnen dieses Blogs (hier übrigens auch – hat der Blog nur männliche Leser?) mag sich vielleicht denken, dass die ganze Diskussion eigentlich nichts mit der Lebensrealität der SpielerInnen wiederspiegelt. Im Umkehrschluss würde ich aber dann auch fragen, ob die weiblichen/diversen Leserinnen es aus reiner Gewohnheit akzeptieren und sich in der männlichen Version ebenfalls angesprochen fühlen. Wenn ja: Aus welcher Motivation heraus tun sie das? Weil es unkomplizierter ist, oder weil es für sie keine Rolle spielt?
Fragen über Fragen, einer endlosen Diskussion, die seit über 40 Jahren tobt.
Also…ja, mach das! Fang damit an! Irgendjemand muss es ja tun.